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Desktop Kartografie

mit CorelDraw und Freehand

Nach den Schriftsetzern, Layoutern und Grafikern erobern in letzter Zeit immer mehr Kartografen den PC. Ein weiteres Berufsbild ändert sich hierbei ähnlich revolutionär wie es das der Typografen bereits vor einigen Jahren tat. Nach einer kurzen Einführung in das Desktop Mapping soll der folgende Praxisartikel die Erstellung einer kleinen farbigen Stadtkarte mit CorelDraw 4.0 vorzeigen.

Map of Munich

Schon über etliche Jahre ziehen sich die Bemühungen, die doch ausgesprochen arbeitsintensiven Arbeitsschritte der Kartenherstellung von der handwerklichen Gravur oder der mühsamen Anlage mit Tuschestiften auf den Rechner zu übertragen. Gerade die phantastisch einfache Möglichkeit, in einer digitalen Karte Korrekturen mit dem Rechner erledigen zu können -- die Bestandspflege ist neben der Neuerstellung die meist ausgeführte und zeitaufwendigste Arbeit -- ließ die Landesvermessungsämter schon sehr früh nach der Computerunterstützung schielen. Dabei wurde meist ein High-End-CAD-System als Grundlage der Entwicklung gewählt. Auf diese Basis baut auch das momentan bundesweit im Aufbau befindliche "Amtliche Topografisch-Kartografische Informationssystem" (ATKIS).

Daneben haben die Kartografen aber natürlich die Entwicklung auf dem Grafiksoftware-Sektor auf PCs nicht aus den Augen verloren. Die Fortschritte, die diese Software in den letzten Jahren machte, veranlaßte in jüngster Zeit gerade kommerziell ausgelegte Karten-Verlage oder Kartografie-Büros, entweder parallel zur handwerklichen Kartenherstellung oder ausschließlich auf den Computer zu setzen. Dabei hat der Apple Macintosh mit dem Programm Freehand durch Funktionen, die zufällig für die Kartenerstellung von Vorteil sind, die Nase mal wieder vorn. Deutliche Konkurrenz hat Freehand aber mit der neuesten Version von CorelDraw bekommen, da es ähnliche, teilweise sogar bessere Voraussetzungen zur Kartografie bietet. Einziges Manko von CorelDraw hierbei ist die benötigte Rechenpower - mit Rechnern unter 50 MHz Taktfrequenz und einer 486er-CPU, wenn nicht gar mit einem Pentium, sollte keiner in die professionelle Kartografie auf PCs einsteigen.

Kommerzielle Kartenherstellung und Desktop Mapping

Viele kommerzielle Kartografie-Verlage oder -Büros haben sich darauf spezialisiert, Ausschnitt- oder Themenkarten nach Kundenvorgaben beispielsweise für Reiseführer, Bücher oder Zeitschriften herzustellen. Das ist auch das Haupteinsatzgebiet des Desktop Mapping, denn von der Rechenleistung und Ausgabemöglichkeit ist die Kartengröße selbst auf den schnellsten Apple Macintoshs und 486ern noch auf etwa DIN A3 begrenzt. Durch Teilen und späteres Zusammenfügen sind aber natürlich auch heute schon größere Karten realisierbar. Mit der nächsten Hardwaregeneration werden komplett digital erstellte Straßenatlanten auf PCs aber erst richtig Wirklichkeit werden. Gerade für die Entwicklung elektronischer Atlanten auf CD-ROM, wie sie Mairs Geographischer Verlag 1993 mit der "Deutschen Gereralkarte auf CD-ROM" publizierte, bietet sich Desktop Mapping wie selbstverständlich an. Der Bedarf an Karten bei Multimedia-Produktionen und auch in Web-Seiten wird sich ebenfalls rasant nach oben entwickeln.

Als Grundlage für diese Spezialkarten dienen meist vorhandene Standardkartenwerke -- nicht jeder kann auf Luftaufnahmen zurückgreifen --, die schwarzweiß eingescannt und an die Kundenwünsche angepaßt werden. Dabei ist der Maßstab recht unerheblich, lassen doch sowohl Scan- als auch Zeichenprogramme die nachträgliche Skalierung zu.

Auch wir verwenden daher eine Kartenvorlage, die wir einscannen und dann, mit einem eigenen Zeichenschlüssel und eigenen Signaturen versehen, neu zeichnen.

Wie schon erwähnt sind die Hauptfunktionen, die Kartografie und Desktop Mapping erst rationell ermöglichen, in CorelDraw 4.0 -- und Freehand ab der Version 3.0 -- enthalten: die Möglichkeit, Ebenen (Layer) und Zeichenformate (Stile) anzulegen. So wird denn auch die erste Tätigkeit vor der Anlage einer neuen Karte darin bestehen, diese Ebenen und Formate (bzw. in CorelDraw "Stile") generieren. Der große Vorteil von CorelDraw im Vergleich zu Freehand hierbei: Diese Formate beziehungsweise Stile lassen sich in einer separaten Datei speichern. Bereits erstellte Karten, die jedoch noch auf einem eventuell überholten Zeichenschlüssel basieren, lassen sich durch einfaches Zuweisen der aktuellen Stildatei so wenigstens in der Zeichendarstellung automatisch dem neuen Kartenbild anpassen. Dieses Verfahren kennen (ehemalige) Ventura-Anwender ja noch sehr gut von den separaten STY-Dateien.

Zuerst: Ebenen, Stile und Kartenlegende anlegen

Jede Karte verfügt über eine mehr oder wenig ausführliche Legende, die die Bedeutung der verwendeten Straßenschlüssel und Signaturen dem Leser erläutert. Unsere Legende dient uns auch dazu, die Ebenen und Formate gleich richtig zuzuordnen. Legen Sie also jetzt zu Anfang die Ebenen und Formate wie in Abbildung 1 und 2 dargestellt an. Die Stile kann man nach unserem fertigen Kartenausdruck am Anfang des Artikels oder nach eigenem Geschmack bestimmen.

Rollup

Für den Laien ist es bei einer Demonstration des Desktop Mapping immer am verblüffendsten, daß Straßenkonturlinien (z.B. gelbe Füllung und graue Außenkonturlinie) so 100prozentig parallel ausgeführt werden können. Man vermutet dahinter immer eine Spezialfunktion des Computerprogramms, obwohl weder CorelDraw noch Freehand -- beides keine für die Kartografie entwickelten Programme -- Doppellinien ziehen können.

Der Trick hierbei ist ebenso einfach wie überraschend (und ist im Grunde das große Geheimnis des Desktop Mapping): Es wird für jede Straßenart sowohl eine Konturebene und -linie als auch eine darüberliegende Füllungsebene und -linie angelegt. In unserem Beispiel hat die graue Konturlinie eine Stärke von 3 Millimetern, die gelbe Füllungslinie eine Dicke von 2 Millimetern. Zuerst wird die Konturlinie auf der Konturebene gezeichnet und formatiert, dann wird diese in die Zwischenablage kopiert und auf der Füllungseben wieder deckungsgleich eingefügt. Nach der Formatierung auf die Farbe Gelb und auf eine Stärke von 2 Millimetern ergibt sich in unserem Beispiel eine 2 Millimeter starke gelbe Linie mit einer jeweils 0,5 Millimeter dicken grauen Kontur.

Ein weiterer Vorteil dieser Ebenenanlage ist der saubere Anschluß zweier auch unterschiedlicher Straßenarten. Es muß nur darauf geachtet werden, daß alle Konturebenen unter den Füllungsebenen liegen. Ebenso müssen dickere und damit wichtigere Straßen mit ihren Ebenen über den dünneren Straßenebenen liegen, eben gestaffelt von dick nach dünn.

Aus der Abbildung 2 ist die Reihenfolge der anderen Ebenen für beispielsweise Begrünung, Bebauung und Gewässer ersichtlich. Wie man sieht, je wichtiger ein Kartenbestandteil ist, umso weiter oben in der Ebenenhierarchie kommt er zu liegen. Die Schrift und die Symbole kommen also auf obere Ebenen, während Grünflächen ohne weiteres von Gewässern oder Straßen durchquert werden können und damit ganz unten landen.

Da sich in CorelDraw Ebenen unterschiedlich einfärben lassen, haben wir diese Funktion zur zusätzlichen Hilfe genutzt und in Abbildung 4 (nur in der gedruckten Artikelversion) eine Bildschirmdarstellung der fertigen Karte im Umrißmodus abgedruckt.

Nach der Anlage der Legende sind nun die Vorarbeiten abgeschlossen, wir können mit der Kartenerstellung beginnen. Die "Schritt-für-Schritt-Anleitung" stellt die Vorgehensweise an Hand eines kleinen Kartenauschnittes dar.

Schritt für Schritt: Eine Karte entsteht

1. Schritt: In vorhandenen Kartenwerken wird nach Karten gesucht, die den eigenen Vorstellungen vom Inhalt am nächsten kommen. Man kann ruhig mehrere Vorlagen wählen, um später die darin enthaltenen Informationen zusammenzuführen, denn nicht jede Karte wurde nach den gleichen Prioritäten angelegt.

Schritt 1+2

Die beste Karte scannt man mit niedriger Auflösung ein (alternativ kann man je nach Verfügbarkeit auch eine Luftbildaufnahme verwenden). Nach dem Laden von CorelDraw und dem bereits vorab angelegten Musterdokument (in unserem Fall die Legende) importiert man diesen Scan in die CorelDraw-Datei. Nun werden alle Straßen der 1. Ordnung, bei uns die Autobahnen, nachgezeichnet. Dazu eignet sich das Bézierlinien-Werkzeug am besten, da es die präzise Positionierung der Knotenpunkte zuläßt. Achten Sie unbedingt darauf, die Straßenenden über die spätere Kartengröße hinausgehen zu lassen. Diese werden später einfach abgedeckt. Zudem läßt eine leicht vergrößerte Anlage der Karte über die benötigten Abmessungen hinaus spätere kleine Korrekturen des Kartenausschnitts zu.

2. Schritt: Alle eben gezeichneten Autobahnen werden markiert und über die Stile-Palette wird das Format "K Straßen 1.Ord" zugewiesen (das gelegentliche Speichern nicht vergessen). Gleich anschließend werden diese Autobahnlinien mit der Tastenkombination "Strg" und "C" in die Windows-Zwischenablage kopiert.

Schritt 3+4

3. Schritt: Über die Ebenen-Palette wechselt man auf den "F Straßen 1.Ord"-Layer (das "F" steht übrigens für Füllung, das "K" für Kontur). Durch das gleichzeitige Drücken der Tasten "Strg" und "V" fügt man diese Linien deckungsgleich auf dieser Ebene ein (Ebenen-Palette muß vorher durch Klicken auf das Zeichnungsfenster deaktiviert worden sein). Logisch ist nun, diese Linie gleich mit dem entsprechenden Stil "F Straßen 1.Ord" zu versehen.

4. und 5. Schritt: Wie beim Anlegen der Autobahnen geht man auch bei den niederwertigeren Straßen vor (Ebenen/Stile: "K"- bzw. "F Straßen 2.Ord" und -"3.Ord").

Schritt 5+6

6. Schritt: Nun werden die Konturen der Bebauung und der Grünflächen nach den eigenen Anforderungen an den Detailreichtum nachgezeichnet. Die erforderlichen Ebenen und Stile haben wir ja längst mit der Legende angelegt. Meist kann bei Übersichtskarten auf viele Details verzichtet werden, was wiederum die Lesbarkeit einer Karte erhöht.

7. Schritt: Die Kartenbeschriftung wird fast zuletzt vorgenommen. Auf die gute Lesbarkeit muß man hierbei besonders achten. Eventuell müssen Straßen bei den einen oder anderen schlecht erkennbaren Schriften abgedeckt werden. Straßennamen werden idealerweise dem Straßenverlauf angepaßt, denn schließlich soll die Karte auch professionellen Ansprüchen entsprechen. Dazu muß man eine dem Straßenverlauf entsprechende Hilfslinie anlegen und über das Corel-Rollup "Text an Objekt" (Aufruf über "Strg"+"F") den Straßennamen hieran anpassen. Kleinere Verschiebungen des Textes lassen sich mit der Funktion "Bearbeiten" in diesem Rollup leicht vornehmen.

Schritt 7+8

8. Schritt: Der Kartenhintergrund kann als Rechteck in Kartengröße eingefügt werden. Der Scan hat nun seine Schuldigkeit getan, er kann gehen ... (bzw. gelöscht werden). Wie aus Abbildung 4 ersichtlich ist, werden überstehende Straßenenden einfach abgedeckt. In der gleichen Größe der Abdeckungen kommt als abschließendes Element noch der Kartenrahmen hinzu.

Damit ist unser kleiner Kartenausschnitt der "Schritt-für-Schritt"-Anleitung fertig. Ein hierin nicht verwendetes und nicht beschriebenes Element unserer großen München-Umgebungskarte ist die Eisenbahnlinie. Die Eisenbahnlinie läßt sich jedoch genauso einfach wie eine Straße durch eine graue Konturlinie und eine weiß gestrichelte Füllungslinie anlegen.

Die Details unserer Umgebungskarte sind für diesen Maßstab und die Funktion der Karte vollkommen ausreichend. Karten mit anderem Maßstab und anderen Anforderungen lassen sich natürlich mit weiteren Elementen ausschmücken. Der Schatten der Karte ist übrigens mit der "Überblenden"-Funktion von CorelDraw ermöglicht worden.

Artikel erschienen in der Zeitschrift "layout", Ausgabe 3/94
© 1994 Joachim Flügel --
© 1994 VEDA-Verlag, Tel.: 0 53 83/80 45

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